Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz wird oft mit offensichtlichen, klar erkennbaren Handlungen verbunden – anzügliche Bemerkungen, unangemessene Berührungen oder gar direkte Übergriffe. Doch die Realität ist komplexer. Oft spielt die subtile und schwer greifbare Machtstruktur am Arbeitsplatz eine zentrale Rolle bei sexueller Belästigung. Diese unterschwelligen Dynamiken machen es Betroffenen nicht nur schwer, die Belästigung zu erkennen, sondern erschweren auch das Ansprechen oder Melden solcher Vorfälle erheblich.

 

 

Die unsichtbare Rolle von Macht

 

Macht ist eine zentrale Dimension am Arbeitsplatz: Vorgesetzte haben Entscheidungsgewalt über Beförderungen, Gehaltserhöhungen und Aufgabenverteilungen. Doch Macht zeigt sich nicht nur in Hierarchien. Sie kann auch in sozialen Netzwerken, Expertise oder der bloßen Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen liegen. Diese Machtgefälle schaffen ein Ungleichgewicht, das leicht ausgenutzt werden kann – oft subtil und schwer zu greifen.

 

Im Kontext sexueller Belästigung kann Macht auf vielfältige Weise wirken:

 

Durch Druck: Ein:e Mitarbeitende:r fühlt sich gezwungen, Anspielungen oder unangemessenes Verhalten hinzunehmen, aus Angst, die Karriere zu gefährden.

Durch Abhängigkeit: Wer auf die Gunst eines Vorgesetzten angewiesen ist, um im Unternehmen weiterzukommen, wird oft in eine passive Rolle gedrängt.

Durch soziale Isolation: Belästigung kann auch durch Ausschluss oder „Bestrafung“ erfolgen, wenn Grenzen gesetzt werden.

Diese Formen der Belästigung sind selten laut oder offensichtlich. Sie geschehen im Verborgenen – und genau das macht sie so gefährlich.

 

Unterschwellige Belästigung: Wenn Machtstrukturen genutzt werden

 

Sexuelle Belästigung äußert sich längst nicht immer in anstößigen Kommentaren oder physischer Annäherung. Oft sind es unterschwellige Handlungen, die sich auf die Dynamik von Macht stützen:

Inszenierte Nähe: Komplimente oder Aufmerksamkeit, die vermeintlich harmlos wirken, aber Grenzen überschreiten – zum Beispiel zu persönlichem Aussehen.

Ausnutzung von Abhängigkeit: Subtile Hinweise, dass Wohlwollen oder berufliche Chancen von der Bereitschaft abhängen, sich „kooperativ“ zu verhalten.

Stille Bestrafung: Ignoranz, Ausschluss von Meetings oder wichtigen Informationen, wenn die andere Person Grenzen setzt.

Doppeldeutige Kommunikation: Witze oder Kommentare, die in einem professionellen Kontext unangemessen sind, aber durch ihre Zweideutigkeit schwer zu adressieren sind.

 

Diese Formen der Belästigung werden oft als „grauzonig“ wahrgenommen, da sie nicht explizit und schwer beweisbar sind. Doch ihre Auswirkungen auf die Betroffenen sind genauso gravierend: Verunsicherung, Angst vor Vergeltung und ein wachsendes Gefühl der Hilflosigkeit.

 

Die Perspektive der Betroffenen

 

Für Betroffene ist es oft schwierig, solche subtilen Belästigungen zu benennen oder einzuordnen. Die Machtstruktur selbst kann sie daran hindern, das Verhalten anzusprechen:

• „Ist das wirklich Belästigung, oder interpretiere ich zu viel hinein?“
• „Was passiert, wenn ich mich beschwere? Werde ich als schwierig wahrgenommen?“
• „Wird mir überhaupt jemand glauben?“

Die Zweifel und die ständige Gratwanderung, ob ein Verhalten angesprochen werden kann oder nicht, verstärken die psychische Belastung.

 

Wie Unternehmen gegen subtile Belästigung vorgehen können

 

1. Bewusstsein für Machtstrukturen schaffen:

Unternehmen müssen sich bewusst machen, wie Machtgefälle sexuelle Belästigung begünstigen können – und dies klar kommunizieren. Workshops und Schulungen sollten nicht nur offensichtliche Fälle thematisieren, sondern auch subtile Formen aufzeigen.

2. Klare Definitionen und Beispiele geben:

Viele Mitarbeitende – auch Führungskräfte – sind sich der unterschwelligen Macht- und Belästigungsdynamiken nicht bewusst. Ein Leitfaden mit konkreten Beispielen kann helfen, Grauzonen klarer zu machen.

3. Vertrauliche und sichere Meldekanäle schaffen:

Betroffene sollten wissen, dass sie Vorfälle in einem geschützten Rahmen melden können – ohne Angst vor Vergeltung oder Diskreditierung.

4. Führungskräfte schulen:

Macht bringt Verantwortung mit sich. Führungskräfte sollten lernen, wie sie Macht fair nutzen und unbewusste Verhaltensweisen reflektieren, die zu subtilen Grenzüberschreitungen führen können.

5. Eine Null-Toleranz-Kultur etablieren:

Sexuelle Belästigung – in welcher Form auch immer – muss von der Unternehmensleitung klar als inakzeptabel definiert werden. Eine starke Wertebasis ist die Grundlage für ein sicheres Arbeitsumfeld.

 

Fazit

 

Sexuelle Belästigung ist ein komplexes Problem, das weit über offensichtliche Worte oder Taten hinausgeht. Die unsichtbare Dynamik von Macht und subtilen Grenzüberschreitungen macht das Thema besonders schwierig – für Betroffene wie für Unternehmen. Doch durch Sensibilisierung, Schulungen und eine klare Haltung können Arbeitsplätze geschaffen werden, an denen Macht nicht missbraucht, sondern verantwortungsvoll genutzt wird.

Mit Safe Workplace. Seminaren und Coaching unterstütze ich Unternehmen dabei, diese Dynamiken zu verstehen und Lösungen zu finden. Gemeinsam schaffen wir eine Arbeitskultur, die Respekt, Gleichwertigkeit und Sicherheit in den Mittelpunkt stellt – damit sexuelle Belästigung in jeglicher Form keine Chance hat.

Haben Sie Fragen oder Interesse an einem Workshop oder Coaching? Kontaktieren Sie mich gerne!